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Florian Witt & Vincent Kück - Holo_Grafik_Karte
Ort: EMDE GALLERY - Mainz
Künstler
Florian Witt, Vincent Kück
Die Galerie freut sich sehr, mit der Doppelausstellung „Holo_Grafik_Karte“ einen ersten Einblick in das Schaffen der beiden Bremer Künstler Florian Witt und Vincent Kück zu geben. Die Ausstellung bildet den Auftakt zu den im kommenden Jahr folgenden beiden Einzelausstellungen der Künstler.
Florian Witt und Vincent Kück haben beide an der HfK Bremen studiert, beide sind miteinander befreundet, teilen sich ein Atelier und stehen in einem ständigen Austausch über ihre Arbeiten. In der Ausstellung in der Emde Gallery treten Florian Witts figurative Szenerien in Dialog mit den abstrakten Bildwelten von Vincent Kück. Eine speziell für die Ausstellung entworfene Gemeinschaftsarbeit, ein großformatiges Schachspiel, auf dem sich Spielfiguren aus MDF-Platten gegenüberstehen, soll dabei einen Brückenschlag zwischen den zwei auf den ersten Blick sehr unterschiedlichen künstlerischen Positionen bilden, die dann doch Verbindungen und Korrespondenzen aufweisen.
Was beiden Künstlern gemeinsam ist, ist ihr Interesses an der (Ober)fläche, der Tiefe und der Verortung von Dingen. Die im Titel der Ausstellung enthaltenen drei Begriffskomponenten – „Holo(gramm)“, „Grafik(karte)“ und „Karte“ – bringen dies nochmal auf metaphorische Art und Weise zum Ausdruck: ein Hologramm ist das Bild eines scheinbar frei im Raum schwebenden Objekts, das die Illusion eines virtuellen 3D-Bildes erzeugt; die Grafikkarte übersetzt Daten so, dass sie als Bild auf dem Computer Monitor wiedergegeben werden können; und die Karte an sich ist eine zweidimensionale Fläche, auf der die Realität verortet, repräsentiert wird.
Eine weitere Gemeinsamkeit ist, wie bereits angeklungen, ihre Nähe zur Ästhetik digitaler, gerasteter Bildwelten. Entscheidend ist allerdings, dass ihre Arbeiten nicht mit Hilfe des Computers entstehen, wie das lila gerasterte Ankündigungsbild der Ausstellung mit dem pixelig dargestellten Sandwich vielleicht vermuten lässt, sondern dass sich die Künstler dem Thema ausschließlich mit klassischen Techniken der Malerei annehmen.
Florian Witt
Florian Witt dienen Computerspiele seit jeher als wichtige Inspirationsquelle für seine Szenerien. „Eindrücke der Welt der Computerspiele“, so der Künstler, „von ihren Anfängen bis heute prägen den Breakdance aus Farbwelten, Kompositionswegen und Abstraktionsräumen, der in den Ruhephasen zwischen dem aktiven Arbeiten an Bildern vor meinem inneren Auge tanzt. Aus ihm kommen meine Ideen.“ Bei genauerer Betrachtung erkennt man in der Anordnung seiner erfundenen Bildwelten Figurationen in unterschiedlichen Abstraktionsgraden und Formen teils filigraner, teils klotziger Figuren und Objekte. In ihrer Reduziertheit wecken sie Assoziationen zur Pixel-Ästhetik insbesondere früher Computerspiele. Eine Nähe zur Computer-Ästhetik ergibt sich auch durch den nahezu zweidimensionalen Bildraum, wobei dieser Effekt vor allem durch den Verzicht auf eine zentralperspektivische Darstellung erzielt wird.
Dabei malt Florian Witt so als ob er zeichnen würde. Oft benutzt er Tintenstifte, um nicht der Versuchung zu erliegen, zu radieren. Die Motive werden in der Regel mit nur wenigen Strichen und Linien gesetzt, das Dargestellte nur angedeutet und entweder inmitten leerer Flächen präsentiert oder mit malerischen Bildelementen wie flachen Farbfeldern kombiniert. Durch das Weglassen von Raumelementen wird eine gewisse Ortlosigkeit erzeugt, aber auch dadurch, dass der Blickwinkel, aus dem heraus der Künstler seine Dinge zeigt, dem Betrachter/der Betrachtrin oft erst nach mehrfachem Hinsehen deutlich wird.
Was Florian Witts Arbeiten darüber hinaus auszeichnet, ist, dass er sich einer Formensprache bedient, die man zunächst keinem Erwachsenen zuordnen würde. Alles wirkt sehr kindlich, die Anordnung der Objekte zufällig. Seine Bilder sind nicht geplant. Jedes Bild bleibt ein Gang in unbekanntes Gelände. Das spielerische, zum Teil humorvolle Erforschen und Experimentieren nimmt einen großen Teil ein. Gleichwohl entpuppen sich seine an Kinderzeichnungen erinnernden Malereien auf den zweiten Blick als höchst feinsinnig durchkomponiert, wobei die einzelnen Teile als Orientierungspunkte dienen und dem Betrachter/der Betrachterin Freiraum zum Interpretieren lassen.
Daneben baut der Künstler auch dreidimensionale Objekte. Aus industriell hergestellten MDf-Platten werden einzelne Formen ausgesägt, bemalt und zu Skulpturen zusammengesetzt, etwa zu Pylonen oder turmartigen Gebilden. In der Bemalung der Fläche changieren sie zwischen Bild und Skulptur. Es scheint fast so, als seien sie aus den Malereien herausgefallen. Und wie diese zeichnen sie sich durch eine humoristisch-stilisierende Herangehensweise aus.
Vincent Kück
Vincent Kück beschäftigt sich in seinen Malereien mit den Konsequenzen und Herausforderungen einer zunehmend von digitalen Medien durchdrungenen Welt, wie etwa mit der damit einhergehenden Frage nach der Veränderung des Subjekt-Objekt-Verhältnisses. „In den digitalen Medien lässt sich eine immer engmaschigere globale Vernetzung beobachten, in dessen Struktur hingegen sich das einzelne Individuum zunehmend isoliert.“, wie der Künstler in seinem Text „Formen des Verschwindens“ anmerkt. Diese Art der Vernetzung kommt ohne Berührung, ohne körperliche Kontakte aus. Das Subjekt ist zunehmend auf sich selbst zurückgeworfen. Genau diese Entfremdung vom eigenen und fremden Körper lässt sich dem Künstler zufolge analog als Metapher zu Lacans Spiegelstadium beschreiben. Im Spiegel, so Lacan, erkennt das Kleinkind sein eigenes Spiegelbild als solches, nimmt sich erstmals als Subjekt wahr. Von diesem Moment an ist das menschliche Subjekt untrennbar gespalten, da es, vereinfacht formuliert, niemals mit seinem imaginären Spiegelbild identisch sein kann.
Genau diesem unwiderruflich verlorenen, kindlichen Zustand vor der Ungespaltenheit sucht sich Vincent Kück mithilfe der abstrakten Malerei wieder anzunähern, „um so wieder Sensibilität für die Tiefe unmittelbarer Wahrnehmung zu entwickeln.“ Auf höchst poetische Weise präsentiert er in seinen Bildern eine kaleidoskopische Mischung aus geometrischen aber auch organischen Formen. Viele seiner Arbeiten sind von penibel konstruierten, gerasterten Strukturen und Mustern überzogen, zeigen farbige, an digitale Pixel erinnernde Qudrate, die sich kontrastreich von ebenso bunten Hintergründen abheben. Sie muten zum Teil sehr digital an, entstehen aber durchweg auf althergebrachte Art und Weise.
Kennzeichnend dabei ist, dass seine sich aus einzelnen Komponenten zusammensetzenden Werke von Weitem betrachtet eine übergeordnete Struktur ausbilden. Erst das nähere Herantreten an die Arbeiten eröffnet dem Betrachter/der Betrachterin neue Möglichkeiten der Wahrnehmung. Es wird erkennbar, dass die Arbeiten in vielen Schritten und Schichten gearbeitet sind und trotz ihrer Flächigkeit, Tiefe und zum Teil sogar räumliche Schatten andeuten. Manche Kompositionen scheinen gar wie aus einzelnen Teilen zusammengesetzt, wirken bruchstückhaft und lassen verwitterte Hauswände oder die Plakatabrisse der französischen Realisten aus den sechziger Jahren assoziieren. Was aus der Ferne als glatte zweidimensionale Oberfläche erscheint, gewinnt aus der Nähe immer mehr an Tiefe. Die Bilder spielen auf verschiedenen Rezeptionsebenen gleichzeitig: Sie bieten sowohl eine „oberflächliche“, als auch eine tiefer gehende Lesart an – oder anders gesagt: Sie lassen sich in der Fläche, aber auch in der Tiefe lesen.
Seine Bildwelten versteht der Künstler wie gesagt als Werkzeuge zur Sensibilisierung der menschlichen Wahrnehmung. Denn seinen Malereien sind haptische Anteile eigen, die der perfekten, glatten Oberfläche der digitalen Technologie diametral entgegenstehen. In ihrer strukturierten Komplexität erinnern Vincent Kücks Gemälde nicht zuletzt an klassische topographische oder thematische Karten, aber auch an sogenannte Mind Maps. Damit bieten sie ein Synonym sowohl für das komplexe Erscheinungsbild, das die Wirklichkeit bietet, als auch für die innere Gedankenwelt des Künstlers.
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